Wäsche aufhängen ist tabu!
Frenzi Rigling im Interview
Die Künstlerin Frenzi Rigling (52) beschäftigt sich in ihren Werken oft mit Kleidung und Textilien, die sie einem spannenden Wandlungsprozess unterwirft. Mit der StadtSpionin sprach die gebürtige Schweizerin über Wiener Wäschemadeln und die Ungehörigkeit, Wäsche aufzuhängen.

 
  Frenzi Rigling, Künstlerin, beim Nähen eines riesigen Teppichs aus KleidungsstückenStadtSpionin: Stimmt es, dass Sie jeden Tag aufzeichnen, was Sie anhaben?
    Frenzi Rigling: Ja. Seit 2004. Also seit sechs  Jahren jeden Tag. 2009 war ich zu wenig diszipliniert, da hab ich’s nicht  geschafft. Aber das vervollständige ich dann rückwirkend.
  Und am Anfang haben Sie immer vergessen, die Unterwäsche  mitzuzeichnen, oder?
  Ja, das ist mir  gar nicht aufgefallen. Irgendwann hat mich das mal jemand gefragt: „Sag, trägst  du keine Unterwäsche?“. Ja natürlich trage ich welche. Aber das ist so meine  Art zu arbeiten: Ich bin keine, die von vornherein exakt plant und dann ausführt, sondern  ich beginne einfach und dann änder ich das halt auch mal.
  Wie lang brauchen Sie denn für so ein Blatt?
  Ganz unterschiedlich. Wenn’s mir  Spaß macht, dann brauche ich länger, weil dann geh ich ins Detail und zeichne  auch die Muster und so. Und wenn’s mich nervt, dann hab ich’s in fünf Minuten.  Also kein Muster und gar nichts!
  
Nach dem Motto „Heut trage ich uni“?
  Ja genau, wochenlang nur linear.
  Textilien, Stoffe, Kleidung kommen in Ihren Arbeiten immer wieder  vor. Sie bauen Berge aus verknoteter Wäsche, nähen Teppiche so groß wie ein  Haus - was ist das Faszinierende am Textilen?
  Unterschiedliche Gründe. Ich  habe in Zürich begonnen, Textildesign zu studieren, habe dann aber  gewechselt, weil’s mir zu langweilig war – zu Zeichenlehre. Meine Mutter war  Schneiderin. Und jetzt im Nachhinein merke ich, dass ich dieses „Stoffliche“,  dieses Erleben des Materials, von meiner Mutter habe, obwohl sie dann ja nicht  mehr als Schneiderin gearbeitet hat. 
  Was mir wahnsinnig gefällt, ist  außerdem das sorgfältige Herstellen von Alltags-Gegenständen, mit einem  immensen, immensen Aufwand. So wie die schönen Stickereien in Rumänien oder  Russland. Wir hier haben das ja nicht oder nicht mehr. Du klöppelst dir eine  Spitze und dann stirbst du, weil du dein Leben lang daran gearbeitet hast. 
  Abgesehen davon bin ich auch  einfach jemand, der immer gerne vorhandene Sachen verwertet, ich bin halt auch  so eine schweizerische Verwertungs-Maschine.
  Sie leben in Wien, kommen ja aber ursprünglich aus der Schweiz.
  Aus Schaffhausen. Dann hab ich in Zürich studiert und später  an der Kunstgewerbeschule in Zürich unterrichtet. Und dann hab ich mir gedacht,  ich würde eigentlich gerne Malerei studieren und vielleicht mal in eine  Meisterklasse nach Wien gehen. Als ich dann da war, hat mich das überhaupt  nicht mehr interessiert. Aber ich habe meinen späteren Mann kennengelernt.
  Sie sind also wegen der Liebe in Wien?
  Genau. Also zuerst bin ich gekommen wegen was anderem, aber  geblieben wegen der Liebe.
  Sie haben dann auch zwei Kinder bekommen, zwei Söhne. Hat  das auf Ihre Kunst einen Einfluss gehabt?
  Ja, meine Arbeiten wurden ganz anders. Ich hab mich total  verändert in der Art der Arbeit. 
  Durch die Kinder?
  Ja. Von dem Moment an habe ich zum Beispiel nur noch mit  schwarzer Tusche gearbeitet. Ich weiß gar nicht, warum. Ich hatte das Gefühl,  das geht am schnellsten, das entspricht mir in meiner Situation mit einem  kleinen Kind am ehesten. Ich bin mit diesen Arbeiten dann nach Schaffhausen  gefahren, weil ich dort zu einem Preis eingeladen war. Und da hat es dann  geheißen: Das ist ja eine Katastrophe! Die Kuratorin sagte zu mir nur: „Familie  und Kunst geht nicht!“ 
  Die Leute fanden, das ist abscheulich, was ich mache.
  Und empfinden Sie selbst es  jetzt, fast zwanzig Jahre später, auch als abscheulich?
  Nein! Ich finde, es war irrsinnig spröde.
  Aber das ist doch eine Qualität!
  Ja, aber damals wollten die das nicht! Ich hab mich dann  zurückgezogen und mit der 
Fotografie begonnen. Abfall und den täglich anfallenden Bio-Müll fotografiert, irgendwo am Land. Ich nannte das "Protokolle". Aber auch das fanden die Kuratoren wieder eine  Katastrophe! (Lacht)
  Weil Sie sich mit dem Alltäglichen beschäftigt haben?
  Im Kunstbetrieb ist das wirklich  eine heikle Sache. Das ist ein Tabuthema, wenn man sich als Künstlerin, die  Kinder hat und verheiratet ist, dann auch noch mit dem Alltag beschäftigt.
  Da gilt man dann ganz schnell als Hausfrau, die Kunst machen  will.
  Ist die Ablehnung durch Kuratoren eigentlich  frustrierend? Oder gehört das dazu?
  Auf meine Arbeit hat es keinen  Einfluss. 
  Vielleicht ist mein einziges  Verdienst als Künstlerin, dass ich mich in meinem Alter immer noch träumerisch  um die Sachen kümmere, die mich interessieren. Eigentlich könnte man sagen, ich  hab ein irrsinniges Glück, dass ich mich nirgends anpassen muss. Und wenn ich  Installationen mit den verknoteten Wäschestücken mache, hat das ja für mich  überhaupt nichts mehr zu tun mit dem Hausfrausein. Ich bin halt jemand, der  sich gerne mit Textilien beschäftigt - und ich seh den Sinn nicht darin, warum  ich mich mit anderen Textilien beschäftigen sollte, als denen, die ich ständig  vor der Nase habe.
  Rührt daher auch Ihr derzeitiges Interesse an den Wiener  Wäschemadeln? 
  Ja. Ich bin bei Recherchen  draufgekommen, dass in der Alserbachstraße, wo ich wohne, früher die Wiener  Wäscherinnen waren. Es gab welche im 6. Bezirk am Wienfluss und im Neunten beim  Alserbach. Das waren die zwei Flüsse in Wien, wo gewaschen wurde. Da hatten die ihre  Häuser, die waren da ja quasi kaserniert. 
  Was heißt das denn?
  Es gab große Zinshäuser, wo nur  Wäscherinnen gewohnt haben. Weil die so einen Lärm gemacht haben und es so heiß  war. Die haben Wasser gekocht die ganze Zeit, die haben die Wäsche geschlagen  und beim Schlagen haben sie scheinbar gesungen.
  Aber sie waren wirklich  selbständig, haben einen Beruf gehabt, ihr eigenes Geld verdient. Einige haben  auch als Prostituierte gearbeitet. Und sie waren oft sehr mächtig. Standen zwar  auf der untersten Stufe der Hierarchie, wussten aber gleichzeitig irrsinnig viel  über all diese Leute, für die sie Wäsche machten. Die Wäscherinnen haben in den  Kleidungsstücken „gelesen“, die sie bekommen haben. Die wussten immer als  erstes, wer schwanger ist, wer gebären wird, was in den Familien läuft.
  Bei Ihrer letzten Ausstellung haben Sie darauf ja Bezug genommen  – und Wäsche aufgehängt.
  Ja. Eine ganze Reihe von  Künstlern war eingeladen, in den etwas altmodischen 
Frenzi Rigling hängte riesige Wäschestücke in den Garten des Bezirksmuseums FloridsdorfBezirksmuseen einen Monat  lang „Spuren zu legen“. Ich habe dafür eine fiktive Figur erfunden: Lotte S.  Die war in meiner erfundenen Biografie auch eine Wäscherin und Prostituierte –  und eine Geliebte Hitlers. Im Bezirksmuseum Floridsdorf habe ich eine Vitrine  befüllt mit den angeblichen Liebesgaben Hitlers – Aquarellen, Taschentüchern  und so. Und im Garten habe ich Wäsche aufgehängt. Das waren riesige Wäschestücke,  also wirklich groß, so dass man eigentlich nicht denken konnte, es sind normale  Wäschestücke. Dafür hab ich große Tischtücher und Bettlaken gesammelt, die  Flecken haben, die man nicht mehr rausbringt. Ganz viele Frauen haben ja so was  zu Hause, aber brauchen sie nicht. Und die hab ich zusammengenäht. 
  Und damit für einen mittleren Skandal gesorgt! Was ist passiert?
  (Lacht.) Ich habe mir das sehr  schön vorgestellt: die riesige Wäsche flattert im Wind vor dem gelben  Schlösschen, in dem das Museum untergebracht ist. Ein Wäsche-Stück war allein  schon ungefähr acht Meter lang und drei Meter hoch. Das war so schwer, dass wir  ein Stahlseil als Wäscheleine spannen mussten. Und weil es in den Tagen sehr  windig war, musste ich die Wäsche am Stahlseil festnähen, damit sie nicht davon  fliegt.
  Aber schon vor der Vernissage  war die Wäsche runtergerissen und niemand wusste, wo sie ist!
  Die Wäsche war heruntergerissen?
  In dem Schloss sind noch andere  Institutionen untergebracht und die Menschen haben sich irrsinng aufgeregt,  dass da Wäsche hängt. Bis zum Bezirksamt haben die sich durchtelefoniert und  waren total erbost: „Da hängt Wäsche in unserem Garten!“ Und es war dann so,  dass eine Frau, die dort arbeitet, ich glaube vom Pensionistenverband, mit  einer Putzfrau in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Wäsche heruntergerissen hat.
  Aber die war ja festgenäht?
  Ja, fragen Sie mich nicht, wie  die das gemacht haben. Das war sicher aufwendig! Die Wäsche, die man dann  zusammengewurschtelt in einer Kammer gefunden hat, war zerissen. 
  Zur Vernissage hatte ich sie  dann wieder gewaschen und restauriert und aufgehängt – aber ich habe immer nur  gehört: „Ja, aber das geht nicht, das ist ein denkmalgeschütztes Haus!“.
  
Berge aus verknoteten Wäschestücken Das ist ja ganz komisch - Wäsche aufhängen ist doch das  Natürlichste überhaupt, das macht ja jede/r ständig.
  Das ist interessant, oder? Geh  mit Fotos von nackten Frauen wohin und kein Mensch regt sich auf! Aber Wäsche  aufhängen ist tabu! Das ist schon extrem...
  Sehen Sie selbst Ihre Kunst eigentlich als feministisch?
  Ich weiß nicht, ob man das heutzutage noch in solchen  Kategorien beschreiben kann. Aber ich würde mich als feministisch bezeichnen.  Und ich glaube schon, dass ich feministische Kunst mache.
  
  Sabine Maier (Oktober 2010)
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  www.frenzirigling.info
  
Fotos: Frenzi Rigling
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