Stadtleben

 

Gala-Dinner aus Wegwerf-Essen

Spätestens seit dem Film "Taste the Waste" wissen wir, dass in der westlichen Welt unvorstellbare Mengen an Nahrungsmitteln weggeworfen werden. 50 Prozent aller Lebensmittel landen im Müll: jeder zweite Kopfsalat, jede zweite Kartoffel und jedes fünfte Brot. Diese unglaubliche Verschwendung muss ein Ende haben – finden auch die Wiener Vereine "Foodsharing" und "Vienna Shares". Und zeigten bei einem ungewöhnlichen Abendessen, was man gegen den Verschwendungs-Wahnsinn tun kann.

Die StadtSpionin | FoodsharingBeim Studium aktueller Zahlen über Essen, das im Müll landet, wird einem in der Regel gleich einmal schwindlig im Kopf. Das klingt immer so abstrakt – und irgendwie auch ganz weit weg. Nicht viel anders geht es Wissenshungrigen da beim Lesen der "Preparatory study on food waste across EU“, in der EU-weit von 89 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr die Rede ist.  40 Prozent davon landen bereits beim Hersteller im Müll, 14 Prozent in der Gastronomie, 5 Prozent bei den Einzelhändlern und, last but not least – schließlich soll man ja vor der eigenen Haustür kehren: fast die Hälfte aller weggeworfenen Lebensmittel (42%) geht auf das Konto von Privat-Haushalten!

89 Millionen Tonnen Lebensmittel-Abfall pro Jahr also. Ist das jetzt viel? Oder wenig? Nun, runtergerechnet bedeutet das, dass jeder Österreicher jährlich um die 100 kg Lebensmittel in die Tonne wirft – allem voran Obst und Gemüse. Und das ist dann doch recht konkret – und alles andere als wenig!

Die Foodsaver
Genau an dieser Stelle kommen 2 tolle, gemeinnützige Vereine aus Wien ins Spiel, die Die StadtSpionin | foodsharingEnde letzten Jahres etwas gegen den Lebensmittel-Verschwendungs-Wahnsinn unternommen haben. Die Rede ist von Foodsharing Wien & Vienna Shares – für viele bereits ein Begriff. Für jene, bei denen der Trend zum Teilen und Retten von Lebensmittel noch nicht so richtig angekommen ist – hier eine Kurzbio: Foodsharing Wien ist eine Community von Foodsavern, die mangelhafte und „weggeschmissene“ Lebensmittel rettet und umverteilt. Vienna Shares ist eine Initiative, die die Menschen einer Stadt durch Teilen statt Kaufen näher zusammenbringt. So weit, so gut.
Jetzt zum Vorzeige-Projekt!

Das "Gala-Dinner"-Projekt
In einer kalten Dezembernacht brachten Vienna Shares und Foodsharing Wien mit einem ganz besonderen Event im WUK das Eis zum Schmelzen. Der 1. „No-Waste Xmas Cooking Workshop“ war geboren. Mitten drin: eine Gruppe internationaler StudentInnen, die den ganzen Tag über bereits „weggeworfene“, ungebrauchte Lebensmitteln gesammelt hatte. Das Ziel: sie am Abend gemeinsam in eine tolles Abendessen zu verwandeln.

Zunächst wurden also Lebensmittel gesammelt. Solche, die als unverkäuflich gelten Die StadtSpionin | foodsharingund ansonsten weggeschmissen werden würden. Die Gründe für das Aussortieren solcher „Ausschuss-Ware“ sind zum Beispiel: ein baldiges Ablaufdatum, eine beschädigte Verpackung oder - bei Obst und Gemüse - dass es einfach nicht mehr frisch genug aussieht. In Wahrheit ist es doch oft so: Wer die Wahl hat zwischen einem glänzenden und einem eingedellten Apfel, entscheidet sich normalerweise für ersteren. Und der mit der Delle, der bestimmt genauso gut schmeckt, landet im Müll. Welche unglaublichen Mengen an Essen täglich weggeschmissen werden –  oft sogar noch bevor sie überhaupt den (Super-)Markt erreichen – erzählt auch der Film „Taste the Waste“!

Foodsharing Wien arbeitet mit vielen unterschiedlichen Lebensmittelverkäufern zusammen – allen voran: Bäckereien und Bio-Supermärkten. Und versucht gemeinsam mit ihnen zu verhindern, dass solche Lebensmittel weggeschmissen werden. Jeden Tag drehen die Foodsaver ihre Runden und retten noch essbare Lebensmittel aus der Tonne. Das große Netzwerk und Umverteilungs-System funktioniert bereits dermaßen gut, dass manche Mitglieder gar keine Lebensmitteleinkäufe mehr machen müssen. Und trotzdem abwechslungsreiche und gesunde Mahlzeiten zaubern können.

Das Menü
Aber zurück zur X-mas-Koop! Nach dem Sammeln der Lebensmittel und dem Transport zum WUK wurde ordentlich aufgekocht. Natürlich gab es weder Rezeptvorschläge noch sonstige Pläne, schließlich weiß man ja vorab nie, welche Lebensmittel man bekommt. Der Kochworkshop stand also unter dem Thema Improvisation, aber auch Kommunikation und Kooperation. Zum Einsatz kamen die unterschiedlichsten Vorschläge, Erfahrung und Geschmäcker aus der ganzen Welt. Mit jeder verkochten Zutat wurde der Stapel des gesammelten und fast-verschwendeten Essens kleiner. Ein tolles Gefühl. An diesem Abend fanden viele produktive Gespräche über Teilen, Tauschen und Verschwenden statt. Es ist doch ziemlich erstaunlich, dass für dieses Projekt 6 Getränke-Kisten und ein ganzer Kühlschrank voller Essen aufgetrieben werden konnten. Und quasi im Handumdrehen ein wirklich leckeres Abendessen gezaubert worden ist. Aus „Müll“. Wer hätte das gedacht?
Und das gab's zu Essen:

Der Menüplan:
Anti Pasti-Teller mit Gemüse in Öl, Tofu-Snacks und Mini-Sandwiches
Zwei Arten traditioneller österreichischer Knödel: 1 x süß mit Obst, Zimt und Beerensoße, 1 x pikant mit Käse und Kräutern
Bananenbrot
Italienische Fleischbällchen aus dem Ofen mit Käse
Curry-Gemüse-Pfanne mit Äpfel und Bio-Schweinskotelett
Gefüllte Paprika mit Brat-Topinambur -Bananen
Mohn-Pancakes mit Buttermilch
Arme Ritter (süßer French Toast)

Die StadtSpionin | foodsharingDas Finale
Den krönenden Abschluss des Abends bildete ein lustiger Food-Talk mit a.o. Univ.-Prof. Martina Kaller, die die Komplexität von scheinbar gewöhnlichem Essen am Beispiel der internationalen Reise des Wiener Würstels erklärte.

Nachdem Bäuche und Köpfe also gefüllt waren, gab es immer noch genügend Milchprodukte, Obst, Gemüse und Brotwaren zum Mit-Nach-Hause-Nehmen. So wurden auch noch die Taschen der TeilnehmerInnen bis zum Rand gefüllt und der erfolgreiche Abend beendet. Mit dem einzigen Haken, den solche Nächte nun mal mit sich bringen: dem Abwasch.

Text und Fotos: Ehsan Bazafkan und Mirjam de Klepper
Redaktion: Die StadtSpionin

Mehr Infos zu Foodsharing Vienna [ Web ]
Mehr Infos zu Vienna Shares
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Mehr Infos zur Wiener Lebensmittelexpertin Martina Kaller
[ Web ]

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